Es ist der unrühmliche Klassiker im Gruselkabinett maximal unangenehmer Büroepisoden: Du betrittst dein neues Büro am ersten Arbeitstag zum ersten Mal. Die Kolleg:innen lächeln dir entgegen, die Atmosphäre ist freundlich – doch dann folgen die ersten subtilen Bemerkungen. Fragen nach deiner Herkunft, unangebrachte Kommentare zur Kleidung oder sogar versteckte Anspielungen, die dir das Gefühl geben, definitiv nicht dazuzugehören.
In grauer Bürovorzeit blieben dir hier nicht viele Möglichkeiten zu reagieren. Entweder die verbale Flucht nach vorn, verbunden mit der Hoffnung, dass solche Kommentare künftig ausbleiben. Oder das stille Hinnehmen.
Das hat sich glücklicherweise geändert. Denn genau hier greift das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein. Es wurde geschaffen, um dich vor Diskriminierung zu schützen und sicherzustellen, dass niemand aufgrund von Herkunft, Geschlecht oder anderen persönlichen Merkmalen benachteiligt wird. Aber was steckt eigentlich im Detail hinter dem AGG? Wir geben dir einen Überblick.

Was ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz?
Die Abkürzung "AGG" steht für "Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz". Ein ziemlich sperriger Begriff, der jedoch für etwas sehr Wertvolles steht: den Schutz deiner Rechte. Das Gesetz hilft dir, sicher und ohne Benachteiligung durchs Arbeitsleben zu gehen – sei es im Vorstellungsgespräch, während deiner Tätigkeit oder auch beim Ende eines Arbeitsverhältnisses.
Das Gesetz gilt seit 2006 und dient seitdem als Instrument gegen Ungleichbehandlung aufgrund persönlicher Merkmale wie Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, Behinderung oder sexueller Identität. Es sorgt dafür, dass Gleichbehandlung nicht nur eine leere Worthülse bleibt, sondern aktiv gelebt wird. Nicht nur, aber insbesondere im Arbeitsalltag.
Wen schützt das AGG?
Auch wenn sich die konkreten Situationen und Fälle unterscheiden mögen, definiert das AGG doch bestimmte Gruppen, die besonders geschützt werden - weil sie aufgrund bestimmter Merkmale besonders häufig benachteiligt werden.
Geschützte Gruppen
- Geschlecht: Frauen und Männer sowie nicht-binäre Personen sind gleichermaßen geschützt. So darf eine schwangere Frau beispielsweise nicht gekündigt werden, weil die Schwangerschaft als Belastung für den Betrieb angesehen wird. Ebenso dürfen Männer nicht benachteiligt werden, wenn sie Elternzeit in Anspruch nehmen möchten.
- Ethnische Herkunft: Menschen unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit sollen gleichbehandelt werden. Ein:e Bewerber:in mit Migrationshintergrund darf zum Beispiel nicht aufgrund ihres ausländisch klingenden Namens abgelehnt werden, wenn sie ansonsten die gleichen Qualifikationen wie ein Mitbewerber ohne Migrationshintergrund hat.
- Religion oder Weltanschauung: Alle Religionen und Weltanschauungen sind geschützt. Beispiel: Ein:e Arbeitnehmer:in, der ein religiöses Symbol wie ein Kopftuch oder eine Kippa trägt, darf nicht aufgefordert werden, dieses abzulegen, solange es die Arbeitsausführung nicht beeinträchtigt.
- Behinderung: Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen werden im Alltag nur allzu oft benachteiligt - selbst wenn es unbewusst passiert. Ein Unternehmen muss dementsprechend angemessene Anpassungen vornehmen, wie die Bereitstellung eines höhenverstellbaren Schreibtisches für einen Rollstuhlfahrer, damit dieser seine Arbeit gleichberechtigt ausführen kann.
- Alter: Jüngere und ältere Arbeitnehmer:innen sind gleichermaßen geschützt. Beispiel: Ein Unternehmen darf eine Bewerberin nicht ablehnen, nur weil sie über 50 Jahre alt ist, wenn ihre Qualifikationen den Anforderungen entsprechen. Ebenso darf ein junger Mitarbeiter nicht benachteiligt werden, weil er als „zu unerfahren“ betrachtet wird.
- Sexuelle Identität: Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung sind geschützt. Ein homosexueller Mitarbeiter darf beispielsweise nicht aufgrund seiner sexuellen Orientierung ausgeschlossen oder verspottet werden, etwa indem ihm bestimmte berufliche Chancen verwehrt bleiben oder er durch abfällige Bemerkungen gemobbt wird.
Arbeitsalltag im Fokus - wo das AGG greift
Das AGG entfaltet seine Wirkung in vielen Bereichen des Arbeitslebens. Egal, ob es um die Stellenausschreibung, das Vorstellungsgespräch oder das Arbeitsverhältnis an sich geht – überall dort, wo potenziell Diskriminierung stattfinden kann, ist das AGG präsent. Es gilt für Arbeitgeber:innen, vorgesetzte Personen, Kolleg:innen und natürlich auch im Kundenkontakt. Jeder, der arbeitet oder eine Stelle sucht, hat das Recht auf einen fairen Umgang.
Wann das AGG nicht greift – Ausnahmen vom Schutz
Keine Regel ohne Ausnahme - vor allem nicht in Deutschland. Denn es gibt Fälle, in denen das AGG nicht zur Anwendung kommt. Beispielsweise bei bestimmten religiösen Einrichtungen, die bei der Stellenvergabe spezifische Anforderungen an die Religionszugehörigkeit stellen können.
Auch familiäre und persönliche Entscheidungen sind oft von der Anwendung des AGG ausgeschlossen, solange keine Benachteiligung am Arbeitsplatz entsteht.
Das AGG und das Vorstellungsgespräch – Fair Play ab dem ersten Tag
Du bewirbst dich auf eine Stelle und wirst zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Natürlich möchtest du dich von deiner besten Seite zeigen, doch du solltest auch wissen, welche Fragen erlaubt sind und welche nicht.
Das AGG schützt dich hier vor unzulässigen Fragen. Dazu gehören Fragen nach deiner Familienplanung, deiner Religion oder deinem Gesundheitszustand – es sei denn, diese sind für die Ausübung der Tätigkeit zwingend relevant.
Was darf ein:e Arbeitgeber:in fragen?
Eigentlich einleuchtend, aber in der Vergangenheit keineswegs selbstverständlich: Dein:e potenzielle Arbeitgeber:in darf nur Fragen stellen, die sich konkret auf die ausgeschriebene Stelle und deine entsprechende Eignung dafür beziehen.
Fragen, die persönliche Merkmale betreffen, sind in der Regel tabu, solange sie nicht direkt mit deiner beruflichen Qualifikation in Verbindung stehen.
Zulässige vs. unzulässige Fragen – Einige Beispiele
Zulässige Fragen:
- Berufserfahrung: "Haben Sie Berufserfahrung in diesem Bereich?"
- Fachliche Qualifikationen: "Wie sieht es mit Ihren Sprachkenntnissen aus?"
- Arbeitszeiten: "Sind Sie bereit, gelegentlich Überstunden zu leisten?"
- Relevante Fähigkeiten: "Können Sie die für diese Position erforderlichen Aufgaben erfüllen?"
Unzulässige Fragen:
- Familienplanung: "Planen Sie, in nächster Zeit Kinder zu bekommen?"
- Religion: "Welcher Religion gehören Sie an?"
- Gesundheitszustand: "Haben Sie gesundheitliche Probleme, die Ihre Arbeit beeinträchtigen könnten?"
- Private Lebensführung: "Sind Sie verheiratet oder haben Sie Kinder?"
Das AGG sorgt also dafür, dass du dich im Vorstellungsgespräch auf deine Fähigkeiten konzentrieren kannst – und nicht auf persönliche Rechtfertigungen, die deine:n Arbeitgeber:in im professionellen Kontext schlichtweg nichts angehen.
Darf ich bei bestimmten Fragen lügen?
Gekonntes Lügen ist nicht unbedingt ein Talent, was sich Arbeitgeber:innen von dir wünschen. Allerdings: in bestimmten Situationen ist es zumindest rechtlich zulässig. Das AGG schützt dich vor unzulässigen Fragen und tatsächlich gibt es Fälle, in denen du eine falsche Antwort geben darfst, um deine Privatsphäre zu schützen.
Wenn dir im Vorstellungsgespräch beispielsweise eine unzulässige Frage zu deiner Familienplanung gestellt wird, darfst du darauf mit einer unwahren Antwort reagieren, ohne rechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen. Diese Möglichkeit ist eine Schutzmaßnahme, damit du nicht gezwungen bist, persönliche Informationen preiszugeben, die keinen Einfluss auf deine berufliche Qualifikation haben.
Wichtig ist: Arbeitgeber:innen dürfen solche Informationen gar nicht verlangen, daher ist eine Falschaussage in solchen Fällen gerechtfertigt. Trotzdem solltest du selbst abwägen, wie du mit der Situation umgehst und möglicherweise das Gespräch höflich auf beruflich relevante Themen lenken.
Diskriminierung am Arbeitsplatz – Was tun?
Niemand sollte Diskriminierung erleben müssen – weder im Vorstellungsgespräch noch im Arbeitsalltag. Falls du dennoch eine ungerechte Behandlung erfährst, gibt es klare Schritte, die du unternehmen kannst:
- Gespräch suchen: Zunächst solltest du das Gespräch mit dem Vorgesetzten oder der Personalabteilung suchen. Viele Unternehmen haben Ansprechpartner, die speziell für solche Fälle geschult sind. Wenn du beispielsweise aufgrund deiner Herkunft diskriminiert wirst, könntest du dies direkt bei deine:r Abteilungsleiter:in oder einem Vertrauensmitarbeitenden ansprechen.
- Interne Beschwerdewege nutzen: Nutze die offiziellen Beschwerdewege, die in vielen Unternehmen vorgesehen sind. Diese Wege sind dazu da, Diskriminierungsfälle strukturiert zu klären. Viele Unternehmen haben eine betriebsinterne Antidiskriminierungsstelle, bei der du den Vorfall melden kannst.
Die Antidiskriminierungsstelle – Dein Anlaufpunkt
Falls interne Gespräche nichts bewirken oder du dich nicht verstanden fühlst, kannst du dich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Diese bietet Beratung und Unterstützung an und kann auch vermitteln, wenn es zu Konflikten kommt.
Auch viele Bundesländer und Kommunen haben eigene Anlaufstellen angerechnet, wenn du von Diskriminierung betroffen bist. Wichtig ist: Du bist in solchen Fällen nicht allein.
Rechtliche Schritte – Deine Möglichkeiten
Sollte es trotz aller Bemühungen zu keiner zufriedenstellenden Lösung kommen, kannst du auch rechtliche Schritte einleiten. Das AGG gibt dir die Möglichkeit, vor Gericht gegen Diskriminierung vorzugehen und gegebenenfalls Entschädigungen einzufordern.
Wichtige Schritte für rechtliche Maßnahmen
- Dokumentation des Vorfalls: Notiere dir alle relevanten Informationen zu den diskriminierenden Ereignissen – wer war beteiligt, was ist passiert, wann und wo? Eine genaue Dokumentation ist wichtig, um deine Ansprüche zu untermauern.
- Beispiel: Wenn du wiederholt aufgrund deines Alters benachteiligt wurdest, dokumentiere genaue Aussagen und Situationen, die darauf hindeuten.
- Rechtliche Beratung einholen: Suche professionelle Hilfe bei einem Anwalt für Arbeitsrecht oder bei einer der erwähnten Antidiskriminierungsstellen. Diese können dich über deine rechtlichen Möglichkeiten aufklären und dir helfen, den nächsten Schritt zu planen.
- Beispiel: Ein Anwalt kann dir helfen, die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen und dich gegebenenfalls bei der Einreichung unterstützen.
- Klage einreichen: Falls keine Einigung erzielt wird, kannst du Klage beim Arbeitsgericht einreichen. In vielen Fällen besteht die Möglichkeit, eine Entschädigung für erlittene Nachteile zu verlangen.
- Beispiel: Wenn du aufgrund deiner ethnischen Herkunft eine Beförderung nicht erhalten hast, könntest du eine Entschädigung für entgangene berufliche Chancen einfordern.
AGG - Häufig gestellte Fragen
Was genau versteht man unter dem AGG?
Das AGG steht für das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und hat das Ziel, Diskriminierung zu verhindern und Gleichbehandlung sicherzustellen – sowohl im Arbeitsleben als auch darüber hinaus.
Wer fällt unter das AGG?
Das AGG schützt alle Arbeitnehmer:innen, Bewerber:innen, Auszubildenden und auch Beschäftigte in Praktika. Es gilt für alle, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder eine berufliche Tätigkeit aufnehmen möchten.
Welche Pflichten haben Arbeitgeber:innen nach dem AGG?
Arbeitgeber:innen sind verpflichtet, Benachteiligungen im Betrieb zu verhindern und aktiv gegen Diskriminierung vorzugehen. Sie müssen beispielsweise sicherstellen, dass Diskriminierungsvorfälle untersucht und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.
Welche Folgen drohen bei einem Verstoß gegen das AGG?
Verstöße gegen das AGG können schwerwiegende Folgen haben. Arbeitgeber:innen können zur Zahlung von Schadensersatz und Entschädigung verpflichtet werden. Zudem kann das Ansehen des Unternehmens erheblich leiden, was negative Auswirkungen auf die Arbeitsatmosphäre und die Attraktivität als Arbeitgeber haben kann.
Fazit
Der nur vermeintlich harmlose Altherrenwitz, lang kultivierte Vorurteile gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen oder schlichtweg offen gezeigte Menschenfeindlichkeit - die Formen von Diskriminierung sind auch im Arbeitsalltag vielfältig. Und auch wenn sie auf Außenstehende anders wirken mögen, sind sie für von Diskriminierung betroffene Personen vor allem eins: enorm schmerzhaft. Und oft genug echte Karrierehemmnisse.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist daher mehr als nur ein Gesetzestext – es ist ein Versprechen, dass Diskriminierung keinen Platz in unserer Gesellschaft und am Arbeitsplatz hat.
Es stellt sicher, dass alle Arbeitnehmer, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, Behinderung oder sexueller Identität, fair behandelt werden. Dafür braucht es aber auch das Verantwortungsbewusstsein aller Beteiligten. Von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen gleichermaßen, um die Prinzipien des AGG aktiv umzusetzen und eine diskriminierungsfreie Arbeitsumgebung zu schaffen.